Quelle: HBS
Drei Fragen an Jan Behringer: Einkommensungleichheit und Leistungsbilanzungleichgewichte
Ein Paper von Jan Behringer und Till van Treeck über Einkommensungleichheit und Leistungsbilanzungleichgewichte ist im Jounal of International Economics erschienen. Wir haben Jan Behringer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im IMK, zu diesem Paper 3 Fragen gestellt.
Was ist das Kernergebnis der im Journal of International Economics veröffentlichten Arbeit?
Bis heute herrscht unter Ökonomen kein Konsens über die tieferen Ursachen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir in dem Artikel den Zusammenhang zwischen zunehmender Einkommensungleichheit und makroökonomischen Ungleichgewichten im Vorfeld der weltweiten Finanzkrise. Wir verwenden eine panel-ökonometrische Analyse, um den Einfluss der personellen Einkommensverteilung (Ungleichheit der Haushaltseinkommen) und der funktionalen Einkommensverteilung (Löhne versus Gewinne bzw. Haushaltseinkommen versus Gewinneinkommen) auf die Entwicklung von Leistungsbilanzsalden zu untersuchen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die steigende Einkommensungleichheit in vielen Ländern zur Entstehung von außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten vor der weltweiten Finanzkrise beigetragen hat.
Wie übertragen sich Veränderungen in der Einkommensverteilung auf die Leistungsbilanz?
In den USA und anderen Ländern im angelsächsischen Raum ging die steigende Ungleichheit am obersten Ende der Einkommensverteilung mit einem Rückgang der Ersparnis und einer höheren Verschuldung bei den unteren Einkommensgruppen einher. Aus dem kreditfinanzierten privaten Nachfrageboom resultierten in diesen Ländern zunehmende Leistungsbilanzdefizite, welche zunächst problemlos über die internationalen Finanzmärkte finanziert werden konnten, dann aber mit zur weltweiten Finanzkrise beitrugen.
In Ländern wie China, Deutschland und Japan ist es in den Jahren vor Beginn der Krise ebenfalls zu deutlichen Verschiebungen in der Einkommensverteilung hin zu mehr Ungleichheit gekommen. Allerdings waren die schwache Entwicklung der Lohn- bzw. Haushaltseinkommen und die im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern geringeren Möglichkeiten zu kreditfinanziertem Konsum mit einer Konsum- und Binnennachfrageschwäche verbunden, woraus sich in diesen Ländern eine starke Abhängigkeit des Wachstums von Exportüberschüssen entwickelte.
Was kann man wirtschaftspolitisch dagegen tun?
Das kreditfinanzierte Wachstumsmodell wichtiger Leistungsbilanzdefizitländer wie den USA oder Großbritannien hat sich mit der Finanzkrise als nicht nachhaltig erwiesen. In Zukunft wird eine stabile Entwicklung des privaten Konsums nur mit entsprechenden Zuwächsen bei den Masseneinkommen zu erreichen sein. Früher oder später wird auch die Wirtschaftspolitik in Deutschland die inhärente Instabilität des deutschen Exportüberschussmodells eingestehen müssen. Die Korrektur von Fehlentwicklungen in der Einkommensverteilung wird dabei eine wichtige Rolle spielen müssen.