Quelle: HBS
Drei Fragen an Sebastian Gechert: Konjunkturwirkungen von Sozialausgaben
Aktuell wird diskutiert, wie der Staat in der Covid19-Krise am besten die Konjunktur stützen kann. Wichtiges Element vieler Vorschläge ist die Erhöhung der Sozialleistungen für Privathaushalte. Ein jüngst im renommierten Journal of Monetary Economics erschienener Beitrag von Sebastian Gechert und Christoph Paetz (gemeinsam mit Paloma Villanueva) liefert dabei Evidenz, wie gut solche Maßnahmen wirken. Wir haben Sebastian Gechert, Referatsleiter am IMK, zu diesem Paper 3 Fragen gestellt.
Was ist Euer zentrales Ergebnis und wie seid Ihr dazu gekommen?
Wir haben einen Vergleich gezogen, welche Maßnahmen eine stärkere Wirkung auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und andere gesamtwirtschaftliche Kenngrößen haben: die Sozialausgaben oder die Beiträge zur Sozialversicherung? Dazu haben wir die wesentlichen Gesetzesänderungen im Sozialbereich in der BRD seit 1970 durchforstet. Unter den Maßnahmen waren verschiedene Beitragserhöhungen und -kürzungen sowie Leistungsausweitungen und -einschränkungen. Das betrifft die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, aber auch Grundsicherungsleistungen, Familienleistungen und sonstige Sozialmaßnahmen. Diese Maßnahmen haben wir dann eingeordnet und quantifiziert und schließlich in ein dynamisches Regressionsmodell gepackt um damit die Wirkung u.a. auf das BIP abzuschätzen. Es zeigt sich ganz deutlich, dass das BIP in den 5 Jahren nach einer Maßnahme stärker und anhaltender wächst, wenn die Leistungen erhöht werden, als wenn die Beiträge gekürzt werden. Spiegelbildlich erhält die Konjunktur einen stärkeren Dämpfer, wenn die Ausgaben gekürzt werden, als wenn die Beiträge erhöht werden. Man spricht davon, dass die Ausgaben einen höheren „Multiplikatoreffekt“ auf das BIP haben.
Wie lässt sich dieses Resultat erklären?
Entscheidend scheint die unterschiedliche Konsumreaktion von den Menschen zu sein, die eher Sozialleistungen empfangen (also prekär Beschäftigte, Geringverdiener, Arbeitslose, Rentner*innen, und Menschen in Ausbildung) gegenüber denen, die eher in die Sozialversicherung einzahlen (insbesondere Vollzeitbeschäftigte und Teilzeitbeschäftigte). Um uns das näher anzuschauen, haben wir unsere gesamtwirtschaftlichen Daten mit den Haushaltsdaten des sozioökonomischen Panels (SOEP) verknüpft. Die Empfängerhaushalte scheinen im Durchschnitt einen wesentlich größeren Teil zusätzlicher Einnahmen auch wieder auszugeben, während eine Senkung der Beiträge überwiegend gespart wird. Im Einzelfall kann das natürlich anders aussehen, aber im Durchschnitt zeigt sich das deutlich.
Welche wirtschaftspolitischen Konsequenzen haben eure Ergebnisse für die aktuelle Corona-Krise?
Das lässt sich kurz zusammenfassen: Wenn die Politik aktuell die verfügbaren Mittel zur Konjunkturstützung effizient einsetzen will und die Wahl hat, entweder die Sozialausgaben zu erhöhen oder die Beiträge in der Sozialversicherung zu verringern, dann sollte sie sich eher für höhere Sozialausgaben entscheiden. Diese Mittel fließen mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder in die Wirtschaft zurück und regen damit die Konjunktur an. Dadurch dürften am Ende diese Maßnahmen auch billiger sein, weil die bessere Konjunktur das Staatsbudget in der Folge wieder entlastet. Umgekehrt wären Kürzungen bei den Sozialleistungen, wie sie etwa kürzlich vom „Verband der Familienunternehmer“ vorgeschlagen wurden, vergleichsweise schädlich für die Konjunktur.
Zum Beitrag im Journal of Monetary Economics
Link zur Kurzversion als IMK Policy Brief (PDF)