Herausforderungen einer Mehrfachkrise in ganz Europa spürbar: Arbeits- und Lohnstückkostenentwicklung 2023
Wie bereits das Jahr 2022 war auch das Jahr 2023 durch die Mehrfachkrise geprägt. Die Inflation war weiterhin hoch bei gleichzeitig geringem Wirtschaftswachstum. Trotz dynamischer Lohnentwicklung gab es weitere Reallohnrückgänge in ganz Europa. Im Euroraum und der Europäischen Union stiegen die Arbeitskosten in der Privatwirtschaft das zweite Jahr in Folge stark an. In Deutschland stiegen sie 2023 um 5,0 % und damit geringfügig schwächer als im Euroraum-Durchschnitt (5,1 %). Im Gegensatz zum Vorjahr waren 2023 die Arbeitskostenanstiege im privaten Dienstleistungsbereich und im Verarbeitenden Gewerbe sowohl im Euroraum-Durchschnitt (5,2 % bzw. 5,0 %) als auch in Deutschland (5,1 % bzw. 4,9 %) nahezu gleich hoch. Bei weiterhin historisch hohen Preissteigerungsraten im Jahr 2023 in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld mit deutlich schwächeren BIP-Wachstumsraten als im Vorjahr und einer damit einhergehenden prozyklischen Verlangsamung des Arbeitsproduktivitätswachstums kam es abermals zu einem beschleunigten Anstieg der Lohnstückkosten um durchschnittlich 6,1 %. Die deutschen Lohnstückkosten lagen mit 6,6 % leicht darüber. Die ab Frühjahr 2022 einsetzende gewinninduzierte Inflation hielt in Deutschland bis Mitte 2023 an, danach geht gesamtwirtschaftlich kein weiterer Preisdruck von den Stückgewinnen aus. Die höheren Lohnstückkostenanstiege im Jahr 2023 spiegeln die verzögerte lohnpolitische Reaktion auf die hohen Preissteigerungen einerseits und die prozyklische Verlangsamung der Stundenproduktivität andererseits wider. Sie sind kein Anzeichen für eine Preis-Lohn Spirale, sondern liegen in der Natur von kollektiven Tarifverträgen mit längeren Laufzeiten und sind temporär.
Stichworte: Arbeitskosten, Lohnstückkosten, Inflation, Lohnentwicklung, Reallohn, Euroraum, Wettbewerbsfähigkeit, Mehrfachkrise, Arbeitskostenreport
Quelle
Herzog-Stein, Alexander; Stein, Ulrike:
Arbeits- und Lohnstückkostenentwicklung 2023
IMK Report, Düsseldorf, 24 Seiten