Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast: Schulen in Coronanot - Ist die Bildung noch zu retten?
Die Corona-Pandemie hat das deutsche Bildungssystem hart getroffen. Die Soziologin Bettina Kohlrausch und der Ökonom Sebastian Dullien diskutieren in Folge 13 unseres Podcasts über den aktuellen Bildungsnotstand.
[19.06.2020]
Auf 5400 Mrd. Euro bezifferte das Ifo-Institut kürzlich den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Schließung der Schulen im Zuge der Corona-Pandemie entstanden ist. IMK-Direktor Sebastian Dullien und WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch erklären im Podcast, warum sie diese Zahl für zu hoch gegriffen halten und kritisieren die vereinfachten Modellannahmen.
Nichtsdestotrotz sehen sie im Bereich der Bildung starke ökonomische und soziale Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Das Bildungssystem sei unvorbereitet in die Krise geschlittert, die Voraussetzungen für digitalen Unterricht seien denkbar schlecht, da zum Beispiel weder SchülerInnen noch LehrerInnen von den Schulen mit Hardware ausgestattet würden. „Wir haben keine Infrastruktur für digitale Bildung“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Daran offenbare sich zum einen die Investitionszurückhaltung der öffentlichen Hand in den letzten Jahrzehnten. Zum anderen vermisst Dullien kreative Lösungen, auf die Kontaktbeschränkungen durch Corona zu reagieren. So fragt er: „Wenn Lehrer nach dem Unterricht die Tische desinfizieren müssen, geht wertvolle Unterrichtszeit verloren. Warum kann man das nicht jemand anders machen?“
Die WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch warnt davor, dass sich die soziale Ungleichheit der Bildung durch Corona verschärfen könnte. Das liege nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern in erster Linie am Bildungshintergrund der Eltern. Von diesem hänge es nämlich ab, ob das heruntergefahrene Schulwesen durch Homeschooling einigermaßen kompensiert werden könne. Auch der kompetente Umgang mit digitalen Medien hänge wesentlich von den Bildungsressourcen der Eltern ab. Die Schulen könnten bislang wenig tun, um diesen „Digital Divide“ abzufedern. Ihnen fehle neben der Hardware die didaktische Kompetenz der LehrerInnen. „Digitalunterricht muss didaktisch gelernt werden. Wir brauchen mehr Professuren für digitale Didaktik“, findet die Bildungssoziologin.
Dass Deutschland mit seinen Krisenmaßnahmen auch im internationalen Vergleich schlecht abschneidet und eine anhaltend hohe Bildungsungleichheit zu beklagen hat, offenbart für Kohlrausch zwei Defizite im deutschen Bildungssystem: „Die Trennung in verschiedene Schultypen ist extrem schädlich. Zwischen Hauptschule, Realschule und Gymnasium wird häufiger abgestiegen als aufgestiegen.“ In der mangelnden Reaktionsfähigkeit auf die Krise offenbare sich zudem der mangelnde Ausbau der Ganztagsbetreuung. Mit dem in Deutschland dominanten Halbtagsschulsystem falle man schneller in Muster zurück, die Bildungsungleichheit verschärfen.
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann